Zu Gast im Zelt Jakobs

Besuch der vhs Bad Aibling in der Ohel-Jakob-Synagoge

Dem Vortrag im Rahmen der Max-Mannheimer-Kulturtage 2020 in Bad Aibling Jüdisches Leben heute mit Ellen Presser, Leiterin des Kulturzentrums der Israelitischen Kultusgemeine München und Oberbayern, schloss sich der Besuch in der Ohel-Jakob-Synagoge am 20. Februar in München an. Mit 35 Personen kamen wir zu Besuch nach München und wurden als angemeldete Gruppe von Frau Presser begrüßt. Zunächst gab sie einem kurzen Überblick über die Geschchte der Synagoge und berichtete Wissenswertes über den Standort der Synagoge. Der Platz, auf dem die Synagoge steht, ist nach dem Heiligen Sankt Jakob benannt und war früher Sammelpunkt für Pilger des Jakobsweges. Der Name Ohel-Jakob (Zelt Jakobs) bezieht sich allerdings nicht auf den Heiligen Jakob, sondern auf den Namen einer orthodoxen Synagoge im Lehel, die in der Kristallnacht vom 9. November 1938 durch Brandstiftung vollständig zerstört wurde.

In früherer Zeit gab es am Standort St.-Jakobs-Platz ein großes Löschwasserbecken und unterirdische Bunker, so dass der Ort als unbebaubar galt. Ein Glücksfall für die Synagoge, denn sonst hätte dieser schöne Platz in der Innenstadt nicht für einen so großen Gebäudekomplex freigegeben werden können. Dieser beinhaltet heute Einrichtungen von der „Geburt bis zur Bahre“: Kinderkarten, Sinai-Grundschule, Jüdisches Gymnasium, Jugendzentrum, Kulturabteilung, öffentliche Bibliothek, koscheres Restaurant Einstein, Rabbinat, Sozialabteilung, Verwaltung und nicht zu vergessen zwei Veranstaltungssäle. Das städtische Jüdische Museum der Stadt München rundet das Ensemble am St.-Jakobs-Platz  Einheit ab.

Vom Gemeindezentrum aus geht es durch einen unterirdischen Korridor, den „Gang der Erinnerung“, zur Synagoge. Dieser Gang ist 32 Meter lang und verzeichnet viereinhalbtausend Namen von Männern, Frauen und Kindern (in alphabetischer Reihenfolge), die in München Verfolgung erlitten. Ein erschütternder Anblick.

Der unterirdische „Gang der Erinnerung“, welcher das jüdische Gemeindezentrum mit der Synagoge verbindet.

Auf dem Weg vom Gang der Erinnerung zur Synagoge passiert man den Grundstein der Synagoge. Die Ohel-Jakob-Synagoge ist eine orthodoxe (traditionelle) Synagoge. Es gibt einen Rabbiner und rituelle Handlungen dürfen nur durch Männer erfolgen. Alle Männer müssen eine Kopfbedeckung (Kippa) tragen. Zum Eintreten in die Synagoge gibt es drei Eingangstüren. In der Mitte dürfen nur Männer eintreten. Männer und Frauen sitzen getrennt, die Frauen haben ihre Plätze rechts und links auf Seitenemporen. Kinder, d. h. Jungen unter 13 Jahre und Mädchen unter 12 Jahre dürfen sich in allen Bereichen aufhalten.

Als Eröffnungstermin der Ohel-Jakob-Synagoge wurde damals der bedeutungsvolle 9. November 2006 ausgewählt. Die Einweihung der Synagoge als freudiges Ereignis wurde den gewaltsamen Vorkommnissen der Reichspogromnacht 1938, in der die Synagogen brannten, entgegengesetzt. Der Sockel der Synagoge erinnert an die Klagemauer. Die nach oben offene Bauweise mit  einer dreieckigen Stahlkonstruktion rundum lässt bei Sonneneinstrahlung eindrucksvolle Muster im Inneren leuchten.

Ein Blick in das Innere der Ohel-Jakob-Synagoge in München.


An der Ostwand befindet sich der Tora-Schrank. Jede Tora-Rolle beinhaltet die fünf Bücher Mose. Diese werden handschriftlich durch „einen gläubigen Menschen“ mit kalligraphischem Talent, einem Schreiber, hergestellt. Es dauert zwei bis drei Jahre bis eine Rolle fertig ist. Die Tora-Rollen, wie auch die gedruckten Bibelausgaben, werden in Hebräisch verfasst. Die hebräische Schrift verwendet nur Konsonanten, die Vokale werden weggelassen. Die Wörter lassen sich jeweils aus dem Kontext erkennen und lesen. Hebräisch wird von rechts nach links gelesen. Die Bibel liegt in der Synagoge auch mit deutscher Übersetzung aus. In der Mitte der Synagoge befindet sich ein erhöhter Tisch zum Vorlesen aus der Tora-Schriftrolle. Das Vorlesen erfolgt mit Hilfe eines Lesestabs.

Es gibt drei Gebetszeiten pro Tag: morgens, nachmittags, abends. Allerdings müssen immer mindestens zehn Männer für einen Gottesdienst anwesend sein. Werktags trifft man sich in einem Raum im Untergeschoss der Synagoge zum Gebet. Nichtjüdische Interessenten können sich für einen Gottesdienstbesuch als Gäste im Rabbinat  anmelden.

Das geöffnete Hauptportal der Synagoge am Münchner Jakobsplatz.

Zum krönenden Abschluss der Führung verlassen wir die Synagoge durch das Hauptportal, das normalerweise nur zu besonderen Anlässen geöffnet wird.

Text und Bilder von Birgit Schreuer