Lebensborn

Ein Instrument der NS-Rassenpolitik
Von Anneliese Wittkowski

1936 wurde der „Verein Lebensborn e.V.“ gegründet, auf Initiative von Heinrich Himmler. In der Satzung des Vereins Lebensborn e.V., werden die rassenpolitischen Ziele des Vereins deutlich genannt. „Der Lebensborn e.V. wird vom Reichsführer SS persönlich geführt, ist integrativer Bestandteil der Rasse- und Siedlungshauptamtes der SS und hat folgende Aufgaben:

  1. Rassisch und erbbiologisch wertvolle kinderreiche Familien zu unterstützen. 
  2. Rassisch und erbbiologisch wertvolle werdende Mütter unterzubringen und zu betreuen, bei denen nach sorgfältiger Überprüfung der eigenen Familie und der Familie des Erzeugers anzunehmen ist, daß gleich wertvolle Kindere zur Welt kommen.
  3. Für diese Kinder zu sorgen.
  4. Für die Mütter dieser Kinder zu sorgen.“

    (Zit. Aus Gisela Heidenreich, Das endlose Jahr, 2002, S. 308f.)

Die nationalsozialistischen Quellen sprechen eine furchtbare Sprache. Da ist die Rede vom „Glauben an den Führer und im Willen zum ewigen Leben unseres Blutes und Volkes“ und dass der SS-Mann “das Leben für Deutschland weiter zu geben willens“ sein soll. Es ist die Rede von einer „rassischen Elite“, von „Sippe“ und „daß der Sieg unserer Soldaten ohne Sinn wären, wenn nicht der Sieg des Kindes und das Besiedeln des neuen Bodens folgen würden“. (Ebd. S. 308.)

Der Führer brauchte Kinder als Nachschub für die Wehrmacht. Weil es 600.000 Abtreibungen in Deutschland jährlich gebe, müsse man diese „Abtreibungsseuche“, so Himmler 1940 in einem Brief an Feldmarschall Wilhelm Keitel, „abstellen“. „Weil Deutschland ansonsten … von den Russen und Asiaten überrannt werde“, so Himmler, „müsse jedes Kind, auch von ledigen Müttern, für den Führer gerettet werden. Selbstverständlich nur die rassisch Vollwertigen.“ (Quelle: https://www.spiegel.de/geschichte/ss-lebensborn-a-948211.html)

Umso erstaunlicher ist es, dass es den Angeklagten im Nürnberger Prozess gelang, die Ankläger davon zu überzeugen, dass die Sorge um die werdende Mutter und ihr Kind ihre Arbeit bestimmt hat. Und sie waren erfolgreich! Alles Angeklagten wurden freigesprochen. 

In der Urteilsbegründung des Militärgerichts von 1949 heißt es unter anderem: „Aus dem Beweismaterial geht klar hervor, daß der Verein Lebensborn, der bereits lange vor dem Krieg bestand, eine Wohlfahrtseinrichtung und in erster Linie ein Entbindungsheim war. Von Anfang an galt seine Fürsorge den Müttern, den verheirateten sowohl wie den unverheirateten, sowie den ehelichen und unehelichen Kindern.“

Aus dem Beweismaterial geht klar hervor, daß der Lebensborn unter den zahlreichen Organisationen in Deutschland, die sich mit ausländischen nach Deutschland verbrachten Kindern befassten, die einzige Stelle war, die alles tat, was in ihrer Macht stand, um den Kindern eine angemessene Fürsorge zuteil werden zu lassen und die rechtlichen Interessen der unter seine Obhut gestellten Kinder zu wahren.“ (Zitiert aus https://de.wikipedia.org/wiki/Lebensborn)

Dass der Verein Lebensborn von dem Gedanken der Fürsorge dem menschlichen Leben gegenüber geleitet gewesen sei, mit diesem Vorurteil räumt auch die Ebersberger Historikerin Anna Bräsel auf. Sie spricht in diesem Zusammenhang von einem „krassen Fehlurteil“ des US-Militärgerichts 1949. (Vgl. https://www.sueddeutsche.de/muenchen/ebersberg/spaziergang-mit-geschichte-blondes-blut)

Historische Aufnahme von Steinhöring.

Auch die Journalistin Gisela Heidenreich, selbst ein Lebensbornkind, bezieht dazu klar Stellung: „Von Anfang an beherrschte also kein karitativer Gedanke die scheinbar soziale Einrichtung.“ (Ebd. S. 309.)

Rund 1500 Kinder kamen alleine in Steinhöring auf die Welt. Neun Lebensborn-Heime gab es im Deutschen Reich. Die meisten Kinder wurden von ihren Müttern zur Adoption freigegeben und kamen zu von der nationalsozialistischen Ideologie überzeugten kinderlosen Paaren. Lebensborn-Heime wurden auch in den besetzten Ländern, vor allem in Norwegen und Polen eingerichtet. Das furchtbare Schicksal der dort geborenen Kinder, die ihren Eltern auch weggenommen wurden, wenn sie den arischen Idealvorstellungen entsprachen, die meisten aus Polen und Norwegen. Das Schicksal vieler Kinder ist ungeklärt. Die Zahl der bis zum Ende der deutschen Besatzungszeit in den Heimen geboren Kinder wird mit ungefähr 12.000 angegeben. (Zitiert aus https://de.wikipedia.org/wiki/Lebensborn)

Viele der in den Heimen geborenen Kinder suchten ihr Leben lang vergeblich nach ihrer Identität, andere machten ihre leibliche Mutter und den Vater ausfindig. Sie blieben meist alleine mit ihrem Wunsch, zu erfahren, warum sie weggegeben wurden. Einige konnten aufgrund der standesamtlichen Listen die Namen ihrer Eltern ausfindig machen, fanden aber keinen Zugang zu ihnen. Oft wollten diese nichts mit ihnen zu tun haben. Dazu können Gründe genannt werden, wie Scham, eigenen Verletzungen, Angst vor dem Urteil der anderen. Aber wer kann schon akzeptieren, dass einem die eigene Mutter und der Vater nicht haben wollten, dass man alleine gelassen wurde? 

Postkartenansicht von Steinhöring aus der Zeit des Nationalsozialismus.

In ihrem Buch „Deutsche Mutter bist du bereit“ (2002) widmet sich  Dorothee Schmitz-Köster den Schicksalen von Lebensbornkindern. In der Einleitung schreibt sie von „zwiespältige(n) Reaktion(en)“ (S. 13), wenn das Gespräch auf das Thema Lebensborn kommt. Ihrer Meinung nach spielt dabei die Tatsache eine Rolle, dass der „Lebensborn … mit dem `Schwarzen Orden´. mit der SS zu tun“ hat, in deren Namen eine Vielzahl an schwersten NS-Verbrechen begangen wurden. Jeder SS-Mann musste automatisch dem Verein Lebensborn angehören. Die Tätigkeit des Vereins war bereits in NS-Zeit von Geheimhaltung und Abschottung geprägt. Da entstehen leicht Gerüchte! Schmitz-Köster verweist auf einen weiteren Aspekt, der das Thema Lebensborn in der Öffentlichkeit begleitet: „Widerwille, Abwehr und Schrecken verbinden sich aber auf seltsame Weise, mit Neugier, mit einer Prise Sensationslust, manchmal sogar mit einer gewissen Faszination.“ (Ebd. S. 13) Sie lenkt damit den Blickwinkel auf einen anderen Aspekt, nämlich den Gerüchten über die Entstehung der Lebensbornkinder. Da ist von „Edelbordellen“ die Rede, in denen „Zuchtbullen der SS“ schon im Jargon der NS-Zeit in der Öffentlichkeit hinter vorgehaltener Hand verbreitet wurden. „Daß in den Lebensborn-Heimen keine derartige Praxis betrieben wurde, ist längst nachgewiesen.“ (Ebd. S. 14, vgl. dazu auch Heidenreich, 2002, S. 303ff.)

Auf dem Gelände des Einrichtungsverbundes Steinhöring wurde in der Zeit des Nationalsozialismus das erste „Lebensborn“-Heim 1936 – 1945 eingerichtet. Im damaligen „Heim Hochland“ wurden fast 1500 Kinder geboren. Während in Steinhöring Frauen, die dem arischen Bild entsprachen, bei der Geburt ihres Kindes unterstützt und völkisch gebildet wurden, wurden Menschen mit Behinderung aus den benachbarten Einrichtungen im Rahmen der T4 Aktion ermordet.

Heutige Ansicht von Steinhöring.

Heute steht das Gelände des ehemaligen „Heim Hochland“ für das diametrale Gegenteil des NS-Rassedenkens. Für Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen ist es Heimat, Betreuungs- und Arbeitsplatz.

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